CYNTHIA MCQUILLIN

 

Die Geschichte der Steinwirkerin

 

»Rego, rego!«, schrie der zerlumpte Bursche, als er Shallisa das Halsband aus Stein, Bein und Federn frech aus ihrem Korb stibitzte, und hielt es triumphierend hoch, damit die Freunde seine Beute sahen; dabei grinste er die Bestohlene auch noch so dreist zahnlückig an.

Die indigoblaue Gesichtsbemalung kennzeichnete ihn als einen der zigeunerähnlichen Regosi, die auf der Ebene jenseits der Steinbrüche des Königs ein karges Dasein fristeten. Shallisa selbst war auch ein Kind der Ebene – aber eine Itari aus dem fruchtbaren Tiefland, das unter dem Segen und dem Schutz der Steingöttin von Itar stand.

Sie zog eine finstere Miene, obwohl der Streich sie eher zum Lachen reizte als ärgerte, und murmelte einen kleinen Spruch – und schon schrie der Bursche erschrocken auf und ließ das feine Halsband in den Staub fallen.

»Komm, Junge«, forderte sie, »gib mir das Amulett zurück. Es war nicht für dich gedacht und brächte dir nur Unglück.«

Mit riesigen Augen bückte er sich, um es aufzuheben, und kam dann widerwillig näher, um es in den breiten, auf die Hüfte gestemmten Korb zu werfen.

»Und wie heißt du?«, fragte sie und nahm den bunt gemusterten Schal von den Schultern, um damit den Korb zuzudecken.

»Dab, gnädige Frau«, erwiderte er da und neigte, dem Gejohle seiner Kameraden zum Trotz, ehrerbietig den Kopf. »Nichts passiert, nicht wahr, gnädige Frau?«

»Weißt du nicht, dass man nicht stehlen darf?«, fragte sie und musterte ihn böse. Aber natürlich kannte sie die Antwort auf solche Frage: Wenn man arm ist, ist Stehlen kein Verbrechen, sondern lebensnotwendig. »Na gut. Aber einen Zaubermacher zu bestehlen, und sei es eine geringe Steinwirkerin, ist nicht sehr klug.«

»Ja, gnädige Frau«, brummte er, erstaunlich zerknirscht, sah sie dann mit strahlenden Augen an und rief »Aber vielleicht soll ich der Herrin für einen Batzen ihre Ware tragen!«

»Nein, lass das, Frechdachs!«, lachte sie und schlug ihm auf die Hand, als er nach ihrem Korb fasste. »Pack dich lieber zu deinen Brüdern, sonst schleife ich dich noch zu den Schergen des Königs!« Und als er sich zu seinen Buben trollte, rückte sie sich, immer noch kichernd, den Korb zurecht und schritt zum großen Tor, dem Eingang zum Steinmarkt.

»Sei mit ihresgleichen nicht so nachsichtig«, schalt Kirkan, der Königliche Zolleinnehmer, als sie ihm ihre Roten für den Zutritt und den Silberling Tagesgebühr für den Warenverkauf in die Hand zählte.

»Hast du denn vergessen, wie du als junger Bursche warst, du alter Bürokrat?«, stichelte sie und zupfte ihn neckisch am Bart. Dafür gab er ihr einen aufs üppige Hinterteil, als sie sich so affektiert schmachtend vorbeischob wie die Kurtisanen, die mit ihren Zofen kamen, um Gold und Edelsteine, oder auch ein magisches Halsband von einer einfachen Steinwirkerin zu kaufen.

Shallisa kam schon zeit ihres Lebens auf den Markt. Erst war sie mit ihrer Mutter Malia gekommen, die auch Steinwirkerin gewesen war. Später, nach deren Tod, hatte sie Platz und Stand übernommen und alleine weitergeführt.

»Shallisa!«, rief Mirga, die dunkeläugige Tochter von Jallam, der Chefkoch im Steinernen Haus war, als sie sich durch die Menge schob, die sich auf der Gasse drängte. Das Steinerne Haus, das sich beeindruckend und imposant über dem Chaos des Markts erhob, beherbergte sämtliche Steinwerker des Königs – vom vornehmsten Steinmagier bis zum geringsten Lehrling und den Hilfskräften.

»Was hat dich so aus dem Häuschen gebracht?«, fragte Shallisa die Kleine, die sie um ein Haar umgerannt hätte. »Du bist ja so aufgeregt wie eine Hebitstute im Frühjahr.«

»Du musst einfach die neuen Schätze sehen, die Maldor aus der Steinwerkhalle mitgebracht hat! Zum Beispiel den Falken, aus Bernstein von Isturan geschnitzt und mit einem versteinerten Käfer im Bauch.«

»Den hat wohl Meister Maldor gemacht«, lachte Shallisa. »Das klingt ja ganz nach seinem Sinn für Humor.«

»Oh, dann ist da noch ein Teller aus Rhodochrosit, ganz und gar hinreißend gebändert.«

»Hat er auch noch die Katze aus Lapislazuli?«, fragte Shallisa, als Mirga einmal eine Pause machte, um Luft zu holen.

»Das alte Ding?« Nun war es an Mirga, spöttisch zu blicken. »Götter, die wird er ja nie los. Wer will schon eine blaue Katze?«

»ja, wer wohl?«, murmelte Shallisa und lächelte so für sich. Sie wünschte sie sich schon seit ihrem zehnten Lebensjahr. Aber als sie so dumm gewesen war, Maldor nach dem Preis zu fragen, hatte der sie bloß ausgelacht und gemeint, so etwas Kostbares sei nichts für die Tochter einer Steinwirkerin – auch wenn sie noch so ein hübsches katzenäugiges Kind sei … Und seither nannte er sie immer nur Katzenauge, denn blaue Augen wie die ihren waren eine Seltenheit bei den Jadasiern, aber unter besagten Pelzträgern weit verbreitet.

Ihr Vater – Steinzauberer aus dem geheimnisvollen Osten und, wie es hieß, einen Sommer der Geliebte ihrer Mutter – hatte solche Augen gehabt.

»Augen wie blauer Topas, eine Haut wie Elfenbein, Haare wie gesponnenes Gold«, hatte die Mutter gesagt, bei einer jener ganz seltenen Gelegenheiten, da sie von ihm sprach. Shallisa hatte auch seinen Teint geerbt, aber nicht sein Haar – ihres war dick und schwarz wie Rabenschwingen. Wirkte sie unter den dunkeläugigen und dunkelhäutigen Itaris der Ebenen schon exotisch, war sie unter den hellhäutigen, brünetten Städtern noch auffälliger.

»O Gott, nein«, seufzte Maldor, als sie an seinen aus Zeltleinwand gebauten Stand trat. Als der für die Feinornamentik zuständige Steinmetzmeister war er nicht verpflichtet, selbst zum Markt zu kommen, tat das aber oft, weil, wie er beklagte, Lärm und Enge der Werkräume seine sensiblen Nerven und schöpferischen Impulse schwächten. »O Götter! Nicht ihr beiden wieder! Warum kommst du … Katzenauge? Du kaufst ja doch nie etwas!«

»Würde ich ja gern, wenn deine Preise nicht so hoch wären«, erwiderte sie mit unverschämtem Grinsen.

»Geh du dein Hexenwerk feilbieten und lass ehrliche Kaufleute ihren Geschäften nachgehen«, sagte er und wedelte mit seiner breiten, feisten Hand, als ob er sie fortscheuchen wollte.

»Mirga hat erzählt, du hättest einen unbeschreiblichen Vogel aus Bernstein!«, beharrte sie.

»Ja, da ist er!«, rief die Kleine und griff sich das kostbare Stück – worauf Maldor es ihr gekonnt wieder aus den gierigen Händen nahm.

»Ah«, murmelte Shallisa und tat, als ob sie die meisterliche Arbeit studiere, »wirklich ein gut gearbeitetes Stück. Aber das ist ja wohl von dir, Meister Maldor. Wer sonst schneidet eine so schöne, edle Figur nur um eines plumpen, platten Scherzes willen?«

»Ich hätte es wissen müssen«, murmelte er da und stellte die Plastik wieder an ihren Platz. »Und was führt dich hierher? Als ob ich das nicht wüsste.«

»Ach, sieh an, du hast die Lapiskatze immer noch«, erwiderte sie und fuhr mit leichtem Finger, aber ohne ein Lächeln, die feine Kurve des Mauls nach, als ob die Skulptur ein lebendes Wesen wäre. Elegant auf den Hinterbacken sitzend, war sie so groß wie ein halb erwachsenes Kätzchen. Die Färbung war nicht die beste: Von »Weiß mit Blau gesprenkelt« am Kopf zu »Blau mit Weiß« an den Pfoten übergehend … Aber dafür war der Stein reich mit Pyrit geädert. Das machte sie nicht nur kostbarer, sondern gab ihr eine ungewöhnliche und, in Shallisas Augen, wunderschöne Zeichnung des »Fells«.

»Ich habe den Preis auf hundert Silberlinge herabgesetzt«, sagte er. »Tiefer kann ich nicht gehen.«

Sicher, nach den zweihundertfünfzig, die er neun Jahre zuvor verlangt hatte, war das nun wirklich günstig, aber doch noch mehr, als sie hatte. So tätschelte sie die Katze bedauernd, seufzte schwer und wandte sich zum Gehen.

»Also gut, für dich fünfundsiebzig. Aber ich würde schwören, du hast das Ding mit einem Fluch belegt … damit ja niemand anderes es kauft!«

Das stimmte natürlich nicht, aber sie widersprach nicht, sah nur begehrlich auf das zierliche blaue Gesichtchen und sagte leise: »Ich habe ja bloß fünfzig … und das ist mein ganzes Erspartes.« Sie wurde dermaßen von Sehnsucht nach der Figur überwältigt, dass sie feuchte Augen bekam, als sie den Blick des Steinmetzmeisters erwiderte. Und da war es, als ob zwischen den beiden für einen Moment ein Strom sich öffnete … jedenfalls bekam er plötzlich etwas Weiches ins Gesicht.

»So nimm sie eben«, murmelte er. »Aber ich werde taube Ohren haben, wenn du mir dann im Winter fluchst, weil du vor Hunger stirbst!«

»Oh, danke! Danke!«, rief Shallisa aus. »Hebe sie bitte bis heute Abend für mich auf. Ich komme vor Marktschluss mit dem Geld wieder!«

»Bist du verrückt?«, fauchte Mirga, als sie jetzt aus Maldors Stand traten und sich anschickten, sich ihren Weg durch die Menge zu bahnen.

»Schon möglich«, lachte da Shallisa, die es immer noch kaum glauben konnte, dass diese Katze endlich ihr gehören sollte. »Komm mit zu Kirkan. Er wird mir diese Silberlinge besorgen müssen und dürfte davon kaum erbaut sein.«

 

Sie hatte an dem Abend das Essen ausfallen lassen, damit sie Kirkan das, was sie tagsüber verdient hatte, zur Auffüllung ihres mageren Kontos geben konnte. Sie bräuchte es, um durch den Winter zu kommen! Ja, das ganze Notgeld zu opfern, war schon verrückt gewesen, aber sie bereute es nicht: Diese Lapiskatze war es wert … Behutsam zog sie die kleine Statue aus ihrem samtgefütterten Beutel. Sie hätte gern gewusst, wer dieses Stück gefertigt hatte. Maldor kannte den Künstler ja vielleicht, würde ihr aber nie seinen Namen sagen.

Jedes Detail vollkommen … von den gespitzten Ohren bis zur gesträubten Halskrause – ausgenommen die Augen, wie sie nun stirnrunzelnd vermerkte. Nur eine leichte Wölbung unter den Lidern … der Künstler hatte es versäumt, die stilisierten Höhlungen um die Augen zu schneiden. Komisch, dass sie das früher nie bemerkt hatte! So setzte sie sich an ihre Werkbank und sah sich das Katzengesicht eingehender an – im leicht flackernden Kerzenschein, konnte sie es sich doch nun nicht mehr leisten, außerhalb der Arbeit teures Lampenöl zu verbrauchen.

Je länger sie sich dieses Gesicht ansah, desto unvollkommener, unstimmiger erschien es ihr! Also tauchte sie, in plötzlicher Eingebung, den Zeigefinger in das schon halb eingetrocknete Indigo, das ihr zum Einfärben der Amulettperlen diente, und tupfte davon etwas mitten auf diese Augen, malte spielerisch die Ohrmuscheln und Nasenlöcher aus und zog endlich, mit dem Rest der dicken blauen Paste, den Umriss der Lippen nach.

»So, meine Liebe«, lachte sie, »nun hast du Augen zu sehen, Ohren zu hören, ein Näschen zu riechen und auch einen Mund zu sprechen …« Welch erstaunliche Veränderung!

»Was für ein prächtiger Kerl du bist«, lobte sie lächelnd – nur ein Kater hatte so eine Krause! Und da war es im weichen Kerzenlicht, als ob dieser Lapiskater ihr Lächeln erwiderte. Zufrieden blies sie nun die Kerze aus und machte es sich auf ihrer Pritsche zum Schlafen bequem.

 

»Komm, Tochter der Steinwirkerin!«, hörte Shallisa es aus dem Dunkel rufen, raunen, als sie sich ruhelos im Schlaf wälzte. »Es ist Zeit aufzustehen und mit dem Wind zu wandern.«

»So müde«, murmelte sie und grub sich tiefer in ihre Decken. Da wurde sie plötzlich zu ihrem Staunen und Erschrecken aus ihrem Leib und geradewegs durchs Zeltdach gezogen …

Im Aufsteigen dann in alle Richtungen sich drehend, war ihr, als ob sie die gesamte Welt ringsum wie eine silberne Ebene sich ausbreiten sähe. Der Mond über ihr strahlte so hell wie die Sonne zu Mittag, und der Wind, der rundum wie die Wasser eines rasch fließenden Stromes brauste, zog sie fort von dem Lager, in dem sie Jahr um Jahr zur Zeit des Frühjahrs- und des Herbstmarkts gelebt hatte.

»Komm, schnell!«, mahnte die Stimme, die eine recht männliche Qualität besaß und sie in ihrem Inneren so anrührte wie eine ergreifende, aber halb vergessene Melodie.

Stumm folgte sie ihr und ging, wohin die sie zog, schwebte geistgleich über menschenleere Straßen, bis sie zur Treppe des Steinernen Hauses kam. Doch nicht zu den hohen, luxuriös ausgestatteten Gemächern jener oberen Stockwerke zog es sie, sondern zu den Werkstätten in den Gewölbekellern unter der Erde.

Still war es in diesen Hallen, aber nicht so dunkel, wie sie gedacht hatte. Ja, die Steinwände verströmten so ein weiches Licht, in dem sie alles um sich sah auf ihrem Weg in den innersten Raum … Der war kleiner als die anderen und mit allerlei merkwürdigen Dingen voll gestopft. Regale voller Krüge und Fläschchen und Schachteln bedeckten die Wände, und in der Mitte der Kammer stand, von zwei Tischchen flankiert, eine Tafel aus Chalcedon, in die viele fremdartige Symbole und Embleme geritzt waren.

Mitten auf dem Altar, denn das war dies ja wohl, stand eine kleine, durch ein goldfarbenes Tuch verdeckte Figur. Shallisa trat kurz entschlossen näher und zog die Hülle weg – und da sah sie die Lapiskatze vor sich.

»Wie kommst du hierher?«, fragte sie laut. Aber der Kater, da nur aus Stein, gab keine Antwort.

Er war wieder so ungeschminkt, wie sie ihn immer gesehen und nach Hause gebracht hatte – aber auf dem Tischchen zu seiner Rechten stand ein Töpfchen mit dunkelblauer Salbe. Von einem merkwürdigen Drang oder Zwang überwältigt, tauchte Shallisa die Finger hinein und tupfte ihm von dieser Farbe, wie zuvor, auf die Augen, murmelte dabei jedoch etwas, als ob sie einen Zauber sagte.

»Augen öffnet euch, damit der Geist sehe!«

Als sie ihm eine Fingerspitze voll dieser süß duftenden Salbe in die Ohren strich, wisperte sie dazu: »Ohren öffnet euch, damit der Geist höre.« Dann salbte sie ihm Nase und Maul und sprach dazu dementsprechend: »Nüstern öffnet euch, damit der Geist atme. Lippen öffnet euch, damit der Geist spreche.«

Und sie wollte kaum ihren Sinnen trauen, als der Kater dann plötzlich mit den Ohren zuckte und blinzelte und sagte: »Gut gemacht. Aber jetzt, Tochter der Steinwirkerin, musst du mir noch das letzte und größte Geschenk machen.«

»Welches Geschenk? Ich bin keine große Zauberin.«

»Still doch!«, gebot der Kater. »Die Zeit wird knapp. Du musst mir den Lebensodem einhauchen, bevor der Geistwind umschlägt und verebbt.«

Da beugte sie sich vor, nahm die Figur zwischen beide Hände und presste ihren Mund auf den ihrigen. Und der Stein schien sich unter dieser Berührung zu erwärmen und hob an, leicht zu pulsieren, zu vibrieren. Dreimal hauchte sie dem Kater so ins Maul, und nun begann sie, ihn sacht zu streicheln, jeden Zoll von ihm zu glätten – von den stolz aufgerichteten Ohren bis zur Spitze des eleganten Schweifs.

»Oh, was für eine Wohltat!«, miaute er und stand auf, um sich zu strecken, zu recken. Und dann, mit rauem Schnurren, nahm er wieder die Sitzhaltung ein, die er viele Jahre innegehabt hatte, sah ihr in die Augen und sprach: »Und jetzt musst du mir einen Namen geben!«

»Einen Namen?«, wiederholte Shallisa von neuem ratlos.

»Aber ja, einen Namen … Jedes Ding und Wesen braucht einen. Natürlich wird man nicht jeden Namen kennen und aussprechen, aber du musst meinen nun sagen, sonst muss ich ewig in diesem Kerker bleiben.«

Aber so sehr sie sich auch bemühte, ihr fiel keiner ein, der passend geklungen hätte. »Ach, es hat keinen Sinn!«, seufzte sie da schließlich. »Woher soll ich denn wissen, wie ich dich nennen soll?«

»Und woher weißt du, was du in einer Halskette aufziehen musst, damit es den rechten Zauber hat?«

»Ich lausche mit den Fingern den Steinen, und die sagen mir, was ich wissen muss.«

»Dann solltest du vielleicht mir nun auch so lauschen.«

Da schloss sie die Augen, um sich zu konzentrieren und ihre Gedanken zu läutern, legte wieder beide Hände um den Kater und ließ seine Essenz in sich überströmen.

»Nizirä!«, keuchte sie jäh und riss die Augen auf vor Staunen darüber, wie klar diese Botschaft gewesen war. »Das ist dein Name!« Und das war das Letzte, woran sie sich erinnerte, als sie am nächsten Morgen in ihrem Zelt erwachte und entdeckte, dass ihre Lapiskatze verschwunden war.

 

»Wo ist meine Katze?«, fuhr sie Dab an, als sie ihn nachmittags fand – nachdem sie, überzeugt, dass er oder einer seiner Kumpel sie ihr aus Rache stibitzt habe, in jedem Zelt und jeder Hütte am Rand des Marktplatzes nach dem Lauser von Regosi gefragt und gesucht hatte …

»Die Katze, hohe Frau?«, rief er erschrocken. »Wie sollte ich denn wissen, dass dieses Tier dir gehört? Ich habe sie an der Müllhalde gefangen. Weißt du, wir hatten nichts zu essen …«

»Nein, nein«, unterbrach sie ihn mit besorgter Geste. »Keine echte Katze. Eine aus Stein. Schön, nur ein kleiner Streich, damit wir wegen gestern ja quitt wären … aber ich muss sie wiederhaben!«

»Eine Steinkatze!«, erwiderte der Junge so gekränkt, wie sie noch nie jemanden aus seinem Volke gehört hatte. »Die Regosi stehlen, um zu leben, eine Münze oder auch zwei, etwas, was man schnell verkaufen oder eintauschen kann, etwas zu essen, bestimmt … aber so etwas zu nehmen …«, stieß er, mit vor verletztem Stolz großen Augen, hervor und hob verneinend die Hände.

So ehrlich wirkte sein blau bemaltes Gesicht, dass Panik und Verzweiflung sie befiel.

»Aber wer dann, wenn nicht du?«, rief sie denn und brach in Tränen aus.

»Erzähl mir von dieser Steinkatze«, rief er, voll Mitgefühl.

»Das ist eine Figur … ja, etwa so groß«, schniefte sie und deutete deren Maße mit Händen an. »Sie ist aus blau und weiß gesprenkeltem Stein gemacht.«

»Ein magisches Objekt also, diese blaue Katze«, murmelte er und machte große Augen.

Kein Wunder, dass er so dachte. Für die Regosi war Blau eine heilige Farbe. Andererseits …

»Bei der Steingöttin, du hast Recht, doch! Das ist magisch!«, rief sie, in Erinnerung an ihren Traum. »Doch solche Magie zu erschaffen, überstiege auch die Fähigkeiten des fähigsten Steinwerkers. Aber vielleicht nicht die eines Meisters.«

Maldor, ja! Sein Bild trat vor ihr inneres Auge. Aber warum sollte er ihr die Katze denn erst verkaufen und dann wieder stehlen? Ihre Kabbeleien all die Jahre waren doch immer ganz harmlos und freundschaftlich gewesen, und zudem: Er könnte die Statue ja bestimmt nicht wieder auf dem Markt anbieten, wo doch so viele Leute wussten, dass sie sie erstanden hatte.

»Letzte Nacht ist im großen Steinernen Haus angeblich ein Geist umgegangen«, sagte er leise und blickte dann abergläubisch über seine linke Schulter zurück. »Zwei Diener sahen ihn im Keller, aber niemand hört auf sie. Das könnte etwas sein.«

»Könnte …«, stimmte sie nachdenklich zu und fragte sich, ob vielleicht ihr Traumausflug den Aufruhr erregt hatte. Jedenfalls könnte man da ansetzen. »Ich habe eine Freundin, die in dem Haus wohnt … Vielleicht, mit ihrer Hilfe …«

»Ich bin dabei, um meine Ehre reinzuwaschen«, rief er. »Denk daran«, fuhr er fort, ihr stummes Nein mit dem ernsten Blick seiner dunklen Augen erwidernd. »Die Regosi sind Diebe, die rasch, lautlos arbeiten. Du wirst derlei Können brauchen.«

»Gut«, sagte sie schließlich. »Aber ich kann dich für deine Dienste nicht bezahlen, Meisterdieb.«

»Ein Tauschhandel, ja, Können um Können«, grinste er, ihren ironischen Ton ignorierend. »Du machst mir dafür eine Kette mit einem Zauber meiner Wahl. Abgemacht?«

»Abgemacht«, sprach sie und schüttelte ihm zur Bekräftigung fest die schmutzige Hand.

 

»Halte deine Fackel höher!«, zischte Shallisa, als sie mit Dab die steile, schmale Treppe hinabschlich, die zu den Ateliers im Keller des Steinernen Hauses führte. »Der Hintereingang für Dienstboten und Lehrlinge«, hatte Mirga gesagt, als sie ihnen einen Weg durch das Gewirr dieser unterirdischen Gänge beschrieb. Sie hatte sich ihnen um keinen Preis anschließen wollen, aber Shallisa war, da sie wusste, wie schlimm es ihr erginge, wenn sie dort erwischt würde, nicht weiter in sie gedrungen …

»Jetzt sind wir unten«, flüsterte Dab und nahm, genau nach Mirgas Anweisung, den Gang zur Linken, nicht ohne Shallisa Zeit zu geben nachzukommen …

So großmäulig der Bursche auch war – an der ersten Tür schon bewies er seine Qualitäten: Im Nu hatte er das Stück Draht, das er aus seiner Gürteltasche nahm, ins Schloss eingeführt, dann ein leises Klicken, eine Drehung – die Tür war auf! Als sie da die erste der unterirdischen Kammern betraten, spürte sie eine irgendwie elektrische Wärme in den Händen …

»Ja! Das ist einer der Räume aus meinem Traum«, flüsterte sie, schon mehr aus Aufregung als aus Angst.

Dann übernahm sie die Fackel und die Führung und rauschte so rasch, wie Dab nur die Türen öffnen konnte, durch dieses und die nächsten beiden höhlenartigen Gelasse. Kein einziges Mal hielt sie an, um die in den verschiedensten Fertigungsstufen befindlichen Wunderwerke zu bestaunen, die da auf Werkbänken und Regalen standen – nein, sie beschleunigte ihren Schritt, dass Dab sich sputen musste, um nachzukommen.

Als sie endlich in die letzte der großen äußeren Werkstätten trat, kribbelten ihre Hände bereits erheblich. Die Erwartung schwang in ihr wie Glockengeläut. Aber als sie zu der Stelle kam, wo besagte Tür hätte sein sollen, war da bloß eine fest gemauerte Wand.

»O nein!«, rief sie. Sie war sich so sicher gewesen, dass der Eingang dort sei. Wie war das möglich?

»Was ist los?«, flüsterte Dab verdutzt und besorgt.

»Die war hier. Da bin ich sicher«, flüsterte sie und fasste nach der Mauer aus groben Quadern … halb hoffend, dass die sich als Trugbild erwies. Doch sie fühlte sich unter ihren tastenden Fingern recht real an … aber irgendetwas schien damit nicht zu stimmen. Doch ehe sie ihrem Gefühl nachgehen, der Sache auf den Grund gehen konnte, rissen der Klang einer ihr vertrauten Stimme und das Aufflammen einer Lampe sie aus ihrer tiefen Konzentration …

»Dein Lapiskätzchen verloren, Katzenauge?«

»Maldor!«, rief sie, fuhr wutentbrannt herum und starrte den Steinmetzmeister an. »So, dann hast du sie also gestohlen!«

»Nicht doch, schönes Katzenauge, aber ich wollte schon, dass du hierher kommst!«

»Aber wieso? Ich verstehe das nicht.«

»Hast du dir nie Gedanken über deinen Vater gemacht?«, fragte er sie und maß sie mit einem beunruhigenden Blick.

»Nicht du …«

»Nein, nicht ich«, sagte er, traurig auflachend, »aber nicht mangels Versuchen. Doch Nizirä war der bessere Mann, fürchte ich, und das in vieler Hinsicht. Was sich, leider, auf lange Sicht aber eher als Nachteil denn als Vorzug erwies.«

Nizirä!

Sie bekam große Augen, als sie den Namen wieder erkannte. Mit hartem Blick musterte sie den Steinmetz dann lange. Dab zog, als er das sah, eine kurze, breite Klinge aus seinem Stiefel und ging in Verteidigungsstellung. Aber sie hieß den Jungen mit jäher Handbewegung, die Klinge zu senken, und fragte: »Was ist aus meinem Vater geworden? Ist er tot?«

»Nicht mehr als Stein«, erwiderte Maldor mit unergründlichem Lächeln.

»Nicht mehr als die Lapiskatze?«, gab sie zurück.

»Sehr gut, Katzenauge«, lachte er und ließ sich auf eine der Bänke plumpsen, die zwischen den Arbeitstischen standen.

»Und wo genau ist, übrigens, die Lapiskatze?«

»Wo du sie wähnst und weißt«, sagte er und wies auf die Wand hinter ihr. »Das Problem ist nur, wie kommt man hinein. Wenn du das schaffst, kannst du dir die Katze wieder nehmen.«

»Aber ich bin nur eine einfache Steinwirkerin«, begann sie.

»Wirklich?«, fragte er glatt. »Glaubst du denn, du mit deinen Katzenaugen und deiner Elfenbeinhaut, in deinen Adern flösse kein Tropfen von deines Vaters Blut … wäre kein Gran von seiner Macht?«

»Macht?«

»Ja, Macht. Ihm hätte da im Steinernen Haus der erste Platz gebührt. Ich habe nie einen begabteren Steinwerker gesehen als ihn. Dazu war er noch von der Steinzauberin Archimita in den Feinheiten des Metiers geschult.«

»Ja, wenn er so mächtig war, was ist dann aus ihm geworden?«, fragte sie. »Warum hat mir außer dir noch kein Mensch, nicht einmal meine Mutter, seinen Namen genannt?«

»Ficallan, der damalige König, war ein ehrgeiziger Mann. Er hat allzeit Macht begehrt, doch als ihm mit dem Altern die Gesundheit schwand, begehrte er auch ewiges Leben. Nun wusste er, dass Nizirä von Archimita, seiner weisen Mentorin, in die geheime Kunst der Steinbelebung eingeweiht worden war … So hieß er ihn, ihm ein riesiges Idol in Form einer Wüstenkatze zu fertigen und es mit seinem Geist zu erfüllen, so wie die Steingöttin mit dem der Ebenen von Itara erfüllt worden war! Nizirä konnte ihm nicht zu Willen sein, gibt es doch für den Steinmetz kein schlimmeres Sakrileg als das, einen falschen Götzen zu erschaffen – und so fertigte er stattdessen diese Lapiskatze. Und die präsentierte er dem König, als der nach dem Stand seiner Arbeit fragte. Der König war so außer sich vor Wut über den offenen Ungehorsam, dass er ihn als Verräter zum langsamen Tod durch die Tortur verurteilte.«

»Dann ist er also tot«, sagte sie, mit einem Gefühl, als ob ihr der Boden unter den Füßen wiche.

»Er wurde verurteilt, habe ich gesagt«, verbesserte er, mit kehligem Kichern. »Aber das Urteil wurde nie ausgeführt. Als ich ihn am Morgen darauf mit der Wache aufsuchen wollte, um ihm jede denkbare Hilfe anzubieten, war die Werkstatt, worin man ihn festgesetzt hatte, leer! Nur die Lapiskatze, die war noch da, stand, mit einem goldenen Tuch verhüllt, auf einem Steinblock, den er für seine Magierarbeit benutzt hatte …

Der Raum hat keinen anderen Ausgang. Er musste sich in einem der vielen geheimen Wandschränke dort versteckt haben. Aber vielleicht hatte er seinen Geist ja in diese steinerne Katze versetzt! So nahm ich die Figur an mich, ehe die Kerle ihrer gewahr wurden.

Als Ficallan davon hörte, rief er Beharn, der auch einer der damals in Jadasia ansässigen Steinmagier und ein erbitterter Rivale deines Vaters war, und befahl ihm, diese Werkstatt zu versiegeln, damit Niziräs Geist darin gefangen blieb … Beharn tat nun, wie er geheißen, und baute dann eine Wand mit einem Zauber davor, der alle, die Nizirä zu Hilfe kommen wollten, hinderte, zu ihm zu gelangen.

Da ich sonst nichts tun konnte, hielt ich die Lapiskatze bis zu Ficallans Tod versteckt, stellte sie dann in meinen Stand … und wartete, dass du erwachsen würdest, dich deines Bluts als würdig erwiesest.«

»Ein hoher Preis für die Ehre!«, murmelte sie, und Trauer um den Vater, den sie nie kennen gelernt hatte, blühte wie eine Dornbuschblüte in ihrem Herzen auf. An so wütende Qual nicht gewöhnt und bemüht, die Fassung wiederzuerlangen, lehnte sie sich rücklings an Beharns Wand aus grob behauenem Stein. Die Handflächen fest gegen das Mauerwerk gepresst, das ihr nicht weichen wollte, schlug sie in Gedanken darauf ein, um es in Trümmer und Schutt zu legen. Wieder, wie in Antwort auf ihre magische Attacke, überkam sie dieses Gefühl, dass etwas nicht stimmte.

»Mit welchem Bann wurden Raum und Wand belegt?«, fragte sie. »Weißt du das?«

»Nicht seine Beschaffenheit, doch die Wirkungsweise ist mir bekannt. Aber ich habe weder die Kraft noch die Fertigkeit, ihn zu brechen. Die Götter wissen, wie sehr ich es versucht habe!«

»Mach dir nichts draus. Nun sind wir ja unser zwei, und Blut ruft Blut, so wie die Katze mich all die Jahre gerufen hat.« Da drehte sie sich dem Jungen zu: »Dab, du stehst hier Wache für uns. Sorge dafür, dass uns niemand stört.«

»Da kommt niemand durch«, sagte er mit grimmigem Nicken und huschte lautlos durch den großen Raum, um vor der Tür Posten zu beziehen.

Shallisa setzte sich mit dem Rücken zur Wand auf den Boden, winkte Maldor, sich ihr gegenüber niederzulassen, nahm seine Hände und sagte: »Letzte Nacht also, in meiner Traumgestalt, betrat ich den Raum ungehindert und sah dort die Lapiskatze. Wie ist das möglich?«

»Der Bann, der den Stein bindet, ist körperlicher Natur, und jener, der diese Kammer versiegelt, sollte nur Niziräs Geist einsperren. So stieß dein Geist weder beim Kommen noch beim Gehen auf Widerstand. Wenn aber diese Lapiskatze wirklich da hinein gelangte,« sagte er mit gedankenvollem Blick, »musst du auf den Zauber gekommen sein, den ich schon lange suche und der Niziräs Geist gestattet, Macht über die Steingestalt zu erlangen. Also wieder zur Ausübung seiner Magie fähig, hätte er die verschlossene Kammer mühelos betreten können, um sie erst danach zu verlassen.«

»Ich verstehe«, sagte sie und nickte, fiel ihr doch ein, wie sie der Figur Augen und Ohren, Nase und Mund spielerisch mit Indigopaste bemalt hatte. »Sehr schön, Meister Maldor, jetzt zeige mir, was du von dem Zauber weißt, der Stein bindet.«

Damit schloss sie die Augen, holte tief Luft und öffnete sich für die Mauer, wie sie sich ihrer Lapiskatze geöffnet hatte. Und ganz allmählich sickerten ihre Sinne in das Gemäuer, spürten das Netzwerk dieses Zaubers auf, das es körperlich undurchbrechlich machte. Dann begann sie, mit der Hilfe des Steinmetzmeisters, das Muster, nach dem es gewirkt war, zu erspüren.

Es war ein Muster, vermerkte sie erleichtert, wie bei ihren Halsketten, zog sich aber durch die Mauersteine durch, statt sie, wie erwartet, einzubeziehen … Für eine Sekunde nur sah sie es in seinem gesamten Plan aufscheinen. Dann verblasste das Bild wieder, aber das war ihr genug gewesen!

Bedacht, behutsam begann sie die Zauberfäden aufzuziehen, so wie sie ein schlampig gewirktes Halsband auseinander gezupft hätte … Eine mühsame, erschöpfende Arbeit, aber schließlich war das Netz nicht mehr. Da stürzte die Mauer krachend ein, ging ein Hagel von kieselgroßen Trümmern sowie dicker Staub auf die beiden nieder!

Als sie sich da herausgewühlt und einen Weg zur freigelegten Tür gebahnt hatten – fanden sie die verschlossen und mussten sie darum Dab von seinem Posten hereinrufen. Grinsend drehte er seinen Dietrich im rostigen Schloss, dass es knirschte und quietschte, grinste, als ein dumpfer Klick zu hören war, und riss dann mit einer Verbeugung, die jedem Höfling Ehre gemacht hätte, die Tür weit auf, sodass Shallisa eintreten konnte.

Die Luft dort drinnen war keineswegs abgestanden, wie sonst nach langer Versiegelung … und es war, wie sie im Licht von Maldors Laterne und ihrer Fackel sah, alles genau wie in ihrem Traum: diese Steintafel, die Tische auf beiden Seiten, die mit Goldtuch verhüllte Figur in der Mitte, ja, und alles tadellos erhalten, ohne eine Spur von Staub oder Beschlag.

Da trat sie näher und hob mit spitzen Fingern das Tuch, ließ es auf eines der Tischchen fallen. Und sah den Lapiskater, so leblos und blind wie eh, in dem Kreis aus seltsamen Zeichen sitzen, die tief in die Chalcedonittafel geritzt waren. Ohne Zögern tauchte sie den Finger in den Tiegel mit Indigosalbe und wiederholte Punkt um Punkt den Ritus, den sie die Nacht zuvor im Traum vollzogen hatte – und wieder streckte, putzte der Kater sich und sprach dann: »Oh, endlich bin ich wieder frei! Ich danke, meine Tochter«, schnurrte er und rieb, da sie ihn spontan streicheln wollte, die glatte blaue Schnauze an ihrer Hand und schwieg dann.

»Adieu, Vater?«, flüsterte sie.

»Sage mir noch kein Lebewohl, ich bin hier«, rief da jemand hinter ihr – als sie herumfuhr, sah sie aus einer Geheimtür der dicken Mauer einen groß gewachsenen und sehr blonden Mann treten, der die goldene Robe eines Steinmagiers trug.

»Ach, du hast das Haar und Gesicht deiner Mutter, aber meine Augen«, sagte er mit warmer Stimme, einer erstaunlich warmen Stimme für einen, der zwanzig Jahre eingemauert gewesen war … Und er nahm die zögernd näher kommende Shallisa in die Arme, ließ sie dann sacht gehen. »Wie schön, mit dir wieder sprechen zu können, alter Freund«, rief er dann und wandte sich Maldor zu, um ihn zu umarmen. »Ich muss dich für deine jahrelange Fürsorge belohnen.«

»Dich am Leben und wohlauf zu sehen, ist mir ja Lohn genug«, antwortete Maldor, stürmisch seine Umarmung erwidernd. »Aber du siehst ganz unverändert aus. Wie ist das möglich?«

»Ich wob einen Stasezauber in die Kammer, damit mein Fleisch nicht verwest, während mein Geist im Stein der Statue wohnt. Wie sonst hätte mein Leib all diese Jahre überstehen können? Ich wusste, dass du angesichts des Katers auf dem Altar ahnen würdest, was ich getan hatte, vergaß aber in meiner Eile, dir eine Kopie des Spruchs zur Belebung der Figur dazulassen.«

»Wir sollten bald verschwinden«, rief Dab nun nervös von der Tür her.

»Der Junge hat Recht«, meinte Maldor. »Es wird ohnehin genug zu erklären geben, mit dem Chaos hier, und du, alter Freund, bist durch Ficallans Edikt noch immer geächtet und bist nach Recht und Gesetz zum Tode des Verräters verurteilt.«

»Dann muss ich die Stadt sofort verlassen, aber wo sollte ich hingehen?«

»Wir könnten in die Länder im Osten reisen«, schlug Shallisa vor.

»Wir?« Nizirä lächelte und streichelte ihr mit sanfter Hand die Wange. »Du solltest es nicht so eilig haben, dein Los an das meine zu binden, Shallisa. Ich bin zwar dein Vater, aber doch auch ein Fremder aus einem fremden Land … Diese Stadt und die Ebene Itaras sind deine Heimat und alles, was du kennst.«

»Dann wird es ja Zeit, dass ich etwas mehr von der Welt sehe, meinst du nicht?«, beharrte sie.

»He, Katzenauge …«, neckte Maldor sie und fragte grinsend: »Was täte denn so eine einfache Steinwirkerin wie du in den großen zivilisierten Städten des Ostens?«

»Studieren, um Steinmagierin zu werden. Dass ich das Talent dazu habe, habe ich wohl bewiesen!«, rief sie und sah die beiden, stumm, das Kinn gereckt, herausfordernd an.

»Ganz die Tochter ihres Vaters«, sagte Maldor und zwinkerte seinem alten Freund zu.

»Auch die ihrer Mutter, fürchte ich«, lachte Nizirä, sah nun Shallisa an und sagte: »So komm mit mir, und dann werden wir ja sehen.«

»Ich komme mit«, tönte da Dab, zu aller Staunen. »Ihr werdet auf eurer Reise Hilfe brauchen, und es gibt viele Türen, die Schlösser haben.«

»Da könnte er uns wirklich eine Hilfe sein«, sagte Shallisa, nahm die Lapiskatze behutsam vom Altar und schlug sie wieder in ihr goldenes Tuch ein.

»Warum nicht«, seufzte Nizirä und schüttelte in gespielter Resignation den Kopf, als er ihr zum Weg hinaus den Vortritt ließ – unverkennbar stolz war aber der Blick, den er Maldor zuwarf, ehe er selbst zur Tür ging.

Silberschwester - 14
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